In ihrer Serie „Weird Stuff I Have at Home“ oder „Wild Guesses We Take“ setzt sich die Künstlerin Sara Gonçalves – wie der Titel bereits andeutet – mit Alltagsgegenständen aus ihrem häuslichen Umfeld auseinander. Die zwölf Werke dieser Serie stellen verschiedene Objekte dar, doch die stark abstrahierte Darstellungsweise lässt den/die Betrachter:in nur Raum zur Spekulation, worum es sich genau handelt. Die Arbeiten regen damit dazu an, die Grenzen zwischen Vertrautem und Unbekanntem neu zu erkunden und zu hinterfragen.
Neue Perspektiven auf das Banale
Gegenstände, die uns täglich umgeben, erscheinen oft unscheinbar und selbstverständlich. Doch Gonçalves gibt diesen banalen Objekten durch ihre künstlerische Bearbeitung eine neue Bedeutung und lässt uns über ihre Bedeutung und Herkunft nachdenken. Anders als bei klassischen Stillleben, wo Objekte klar erkennbar und oft symbolisch aufgeladen sind, verweigert Gonçalves uns den einfachen Zugang zu einer eindeutigen Interpretation. Stattdessen spielen ihre abstrakten Darstellungen mit der Wahrnehmung der Betrachter:innen. Sie fordern dazu auf, die Dinge neu zu betrachten und zu reflektieren, wie sich die Vertrautheit von Objekten in der Abstraktion auflöst.
Die persönliche Note der Künstlerin wird dabei nicht durch die explizite Benennung der Gegenstände vermittelt, sondern durch die Art, wie sie diese gestaltet: wie durch ein Prisma, das die Realität verzerrt und verfremdet. Was als „weird“ erscheint, ist nicht zwangsläufig das Objekt selbst, sondern die Art und Weise, wie die Künstlerin es uns präsentiert – verfremdet, verfärbt, manchmal in unkonventionellen Winkeln oder unvorhersehbaren Kompositionen. Es ist diese künstlerische Intervention, die dem Werk seinen surrealen, ja manchmal träumerischen Charakter verleiht. Die Alltagsgegenstände erscheinen seltsam nicht durch ihre Natur, sondern durch die Brille der Künstlerin, die sie uns in einem neuen Licht zeigt.
Der eigene Raum als künstlerische Inspiration
Gonçalves fügt sich mit dieser Serie in eine lange Tradition von Künstler ein, die sich mit dem Alltäglichen beschäftigen. Seit Jahrhunderten ist das Stillleben ein zentrales Genre in der Kunstgeschichte, das die Faszination für Objekte des täglichen Lebens spiegelt. Von den niederländischen Meistern des Goldenen Zeitalters bis hin zu modernen Interpretationen von Andy Warhol oder Giorgio Morandi – die Darstellung von Objekten hat Künstler*innen zu allen Zeiten inspiriert.
Diese Tradition neu zu interpretieren, ist auch ein Schlüssel zu Gonçalves‘ Werk. Ihre Arbeiten stehen in einer Linie mit diesen historischen Stillleben, heben sich jedoch durch ihre besonders persönliche und expressive Herangehensweise ab. Statt das Detailreichtum der Gegenstände hervorzuheben, wie es etwa in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts üblich war, stellt Gonçalves die Objekte eher als rätselhafte Fragmente ihres Alltags dar. Ihre Farbpalette, die sich durch die gesamte Serie zieht, wirkt harmonisch und gleichzeitig expressiv, was den Objekten eine neue Energie verleiht. Hier wird die Banalität des Alltags nicht nur zelebriert, sondern in etwas Geheimnisvolles, fast Sakrales verwandelt.
Credits: Sara Gonçalves
ARTIST STATEMENT
I paint what I see, what I feel, what I am.
I paint to rediscover the essence of a memory. Of what I am, of what I’ve seen, and felt. I paint my life.
Expression and spontaneity are key elements in my work because I want to induce the observer into a dream.
I want to create a sense of familiarity with daily objects and settings that we know but do it through a colourful and innocent lens, transporting you to the world I want to see.
A world tainted with emotion, feeling, and intuition. – Sara Gonçalves
Credits: Sara Gonçalves
Der Raum, das Selbst und die Wahrnehmung des Gegenübers
In dieser Serie wird deutlich, dass es Sara Gonçalves nicht vorrangig um die Gegenstände selbst geht. Es sind weder die Titel der Werke noch die Darstellungsweise, die den/die Betrachter:in klare Hinweise darauf geben, was sie sehen. Vielmehr liegt der Fokus auf der Farbe, der Form und der Beziehung zwischen der Künstlerin und ihrem unmittelbaren Umfeld. Die Objekte, die in den Bildern dargestellt werden, fungieren eher als Auslöser für eine tiefere Auseinandersetzung mit dem eigenen Raum, der Wahrnehmung und der Interpretation.
Die Erkennbarkeit der dargestellten Gegenstände ist dabei bewusst irrelevant. Vielmehr wird der/die Betrachter:in eingeladen, die Lücken der Darstellung selbst zu füllen. Es entsteht eine Art künstlerischer Dialog, in dem die Wahrnehmung der/die Betrachter:in die eigentliche Bedeutung der Werke mitgestaltet. Was wir in den Bildern erkennen, sagt vielleicht ebenso viel über uns selbst wie über die Künstlerin aus. In diesem Sinne wird die Privatsphäre der Künstlerin zwar angedeutet, bleibt jedoch durch die Abstraktion der Objekte gewahr. Die Unschärfe und Abstraktion der Gegenstände lässt uns nicht nur rätseln, was wir sehen, sondern auch, wie sehr wir in den Interpretationsprozess eingebunden sind.
Die Künstlerin stellt uns damit vor die Herausforderung, nicht nur die Objekte in ihren Werken zu erkennen, sondern auch die Grenzen unserer eigenen Wahrnehmung zu hinterfragen. Die eigentliche Bedeutung bleibt verborgen, und es ist an den/die Betrachter:in, eigene „wilde Vermutungen“ anzustellen, wie es der Titel der Serie andeutet. Damit wird der kreative Akt nicht nur auf die Künstlerin beschränkt, sondern auch auf diejenigen, die sich mit ihren Werken auseinandersetzen.
Credits: Sara Gonçalves
Künstlerin
Sara Gonçalves, 1998, lebt und arbeitet in Porto. Die Künstlerin hat 12 Jahre lang Ballett studiert, unter anderem in Workshops mit der Kompanie von Pina Bausch und Aterballetto/Fondazione Nazionale della Danza. Ihre Liebe zur Malerei war jedoch schon immer vorhanden und war schon sehr früh eine ihrer Ausdrucksformen, die in den letzten drei Jahren zur Hauptform wurde. Sie besuchte die Kunstschule Soares do Reis, in Porto. Im Januar 2018 wanderte sie nach Barcelona aus, wo sie bis August 2020 lebte und arbeitete, bevor sie nach Porto zurückkehrte, wo sie ihre Arbeit bis heute fortsetzt.
Ihr Œuvre umfasst Porträts und Szenarien aus dem Alltagsleben, doch stets mit einer charakteristischen, figürlichen Ausdrucksweise, die von einer reichen Farbpalette und einer freien, fast gestischen Pinselführung geprägt ist. In ihren Arbeiten bleibt Gonçalves ihrem Bedürfnis treu, das Alltägliche neu zu interpretieren und zu verfremden – sei es durch ihre Porträts oder die Darstellungen scheinbar einfacher Gegenstände, die sie uns in einem neuen, faszinierenden Licht zeigt.
ONLINE AUSSTELLUNG
WEIRD THINGS I HAVE AT HOME mit Werken von SARA GONCALVES
5.12.-30.12.2024
Die kuratorische Gestaltung der Ausstellung liegen beim Kulturverein culturebites.
Alle Rechte an den Werken liegen bei der Künstlerin Sara Gonçalves.
Die Werke sind bei STEINGAST ART erhältlich.
Link zur Online Ausstellung: www.steingast.art
Infos zur Künstlerin: @saragsart