Österreich befindet sich im 2. Lockdown und auch die Museen mussten trotz ausreichenden Hygienekonzepte und sonstigen Sicherheitsvorkehrungen wieder schließen. Viele Institutionen kommen seit Beginn der Krise mit Digitalisierungsmaßnahmen besser zurecht, mal mehr mal weniger. Die Albertina rüstet ihr digitales Angebot nach und zwar: Öffentliche Online Führungen.
My Generation. Die Sammlung Jablonka
Rafael Jablonka, 1952 in Polen geboren, hat ursprünglich als Ingenieur in München gearbeitet und erst etwas später widmete er sich der Kunst. Seine erste Galerie Vakuum öffnete 1979 in Düsseldorf ihre Türe. Die Idee eine konzeptuelle Galerie im Sinn von “er will am Erschaffunssprozess der Werke teilhaben” ging auf. Als Kunsthändler, Kurator und Sammler arbeitete er eng mit den KünstlerInnen zusammen, darunter Damien Hirst, Eric Fischl, Andreas Slominski, Cady Noland und Philip Taaffe. Er war einer der Ersten der die amerikanischen Künstler am Deutschen Markt vertreten hat. Gezeigt werden aber nicht nur Arbeiten die während seiner Zeit in der Galerie entstanden und gezeigt wurden sondern auch viele Werke aus seiner Privatsammlung die er der Albertina zur Verfügung stellt. Die großen Themen wie die Aids Krise in den 80er Jahren, Globalisierung, das infragestellen des amerikanischen Traums, Hyperkapitalismus, Kultur und Natur setzten die vielen KünstlerInnen in rund 100 Werke in Form von Installationen, Video, Skulpturen und auf Gemälden, Papierarbeiten und Assemblage um.
Ablauf
Man trifft sich im virtuellen Raum über Zoom mit dem Kunstvermittler. Nach der Einführung teilt er seinen Bildschirm und man befindet sich im Online Rundgang beginnend mit der Rolltreppe nach unten zu den Ausstellungsräumen in der Bastei. Der Kunstvermittler gibt immer wieder die Richtung vor, damit man als Zuschauer weiß in welche Richtung er den Cursor schwenkt und einem dabei nicht schwindelig wird. Meist zeigt er die gesamte Raumansicht als Erstes, gefolgt von einer Einleitung über den/die KünstlerIn und die Beziehung zu Jablonka – danach werden ein bis zwei Werke im Raum genauer besprochen.
Highlights
Der spanische Maler und Bildhauer Miquel Barcelo “Die wundersame Vermehrung von Brot und Fischen” erzählt auf den ersten Blick eine Geschichte aus dem Evangelium. Der Künstler bezeichnet sich jedoch als Atheist und will damit primär Transformationsprozesse sichtbar machen. Das Werk spiegelt einen Teil der spanischen Kultur und Natur wider: Vasen, Krüge, Meerleben, Fische. Die zentrale Figur stellt Jesus Christus oder auch Barcelo selbst, der leidenschaftlicher Taucher ist, dar.
Andreas Slominski stellt sich seit den 90er Jahren die großen Fragen: Was Kunst bedeuten soll?, Was Kunst ist? und steht auch dem Kunstmarkt kritisch gegenüber. In seinen Arbeiten zeigt er wie man aus dem billigsten Material u.A. Polystyrol (Kunststoff erhältlich in jedem beliebigen Supermarkt) etwas Wertvolles schaffen kann. Der große, schwere Metallrahmen mutet an museale Kunst an.
Das Fahrrad überladen mit gewöhnlichen Alltagsgegenständen: Die Assemblage aus “Müll” von Andreas Slominski ist aufgeladen mit vielen Geschichten und Epochen der Kunstgeschichte. Als Vorbilder dienen Werke aus dem 16 Jhd. des italienischen Malers Giuseppe Arcimboldo welcher Früchte und Gemüse in Form von Köpfen anordnet, Skulpturen von Auguste Rodin im 19. Jhd., Pablo Picasso und die Zeit des Kubismus als er mit Zeitungspapier verschieden Layer schaffte und in den 1940er Jahren einen Stier aus Fahrradlenker und Sattel schaffte.
Eric Fischel arbeitet ab 1976 nicht mehr abstrakt sondern figurativ. Er beginnt seine Vergangenheit, mit einer Alkoholikerin als Mutter, aufzuarbeiten. Diese oft schmerzhaften, wirren, diffusen Eindrücke verarbeitet er in der Malerei und spielt zugleich auf die oberflächliche, heile Welt in Amerika an. Fischel arbeitet mit Fotografien und entscheidet im Prozess wie er sie umsetzt und kombiniert.
Das persönlichste Werk für Jablonka in der Ausstellung ist von Eric Fischel, Ohne Titel (Hochzeitsbild), welches normalerweise im Esszimmer vom Sammler hängt. Warum ist für ihn so wichtig? Das Motif beruht auf einen Traum von Jablonka. Die Szene wurde ursprünglich in Form eines Freskos geträumt, indem Maria und ein Engel (Zuschreibung Verkündigungsszene) zu sehen sind, gemalt in den altmeisterlichen Farben wie dem Blau von Giotto.
Auch wir haben neben 143 Teilnehmern an einer Online Führung teilgenommen und teilen unsere “Pros” and “Cons”:
- man kann bequem von zu Hause aus teilnehmen
- im digitalen Raum kann man über die Absperrung ganz nah zum Kunstwerk zoomen
- Fragen im Chat werden direkt beantwortet
- guter erster Überblick
- Kunstvermittler*innen hat ein paar Minuten überzogen
- Highlights und wichtige Gedanken und Zusammenhänge der Ausstellung sehr gut dargestellt
- virtueller Rundgang ist online immer zugänglich und man kann im Anschluss nochmal selber in Ruhe durchklicken
- Dreidimensionales wirkt nicht
- Tempo und Werke vorgegeben
- Wandtexte kann man natürlich nicht lesen
- Emotionen nicht “Bildschirm übertragbar”
- Materialität und tatsächliche Maße der Kunstwerke nicht erkennbar
- gemeinsame Nachbesprechung fehlt
- keine Video- und Lichtinstallationen
- Sinn für Ausstellungsrundgang und Wegführung geht verloren
- die Hängung und Atmosphäre schlägt nicht über
Pro Tipp: Wenn man den Luxus von einem 2. Bildschirm hat, kann man parallel zur Führung selber im virtuellen Rundgang mitlaufen und die Kunstwerke zusätzlich aus anderen Winkeln betrachten.
“Kunstwerke leben nur wenn sie gesehen werden.”
– Rafael Jablonka
Fazit: Die Führung war sehr interessant, gut gegliedert und bietet einen wunderbaren ersten digitalen Vorgeschmack auf den realen Ausstellungsbesuch. Die Kunstwerke vor Ort zu betrachten, sich über die Ausstellungsgestaltung und die Texte zu erfreuen, sich auszutauschen oder alles in eigenem Tempo in Ruhe auf sich wirken zu lassen möchten wir nicht missen. Die Ausstellung läuft noch bis Februar 2021 und wir freuen uns schon auf den nächstmöglichen Museumsbesuch! Zu hoffen bleibt, dass es solche Möglichkeiten auch nach einem Lockdown wieder geben wird!
Aktuell gibt es auf der Homepage der Albertina einige Daten zur Auswahl um sich für eine Online Zoom Führung für die Ausstellung “My Generation. Die Sammlung Jablonka” anzumelden.
https://www.albertina.at/ausstellungen/my-generation-die-sammlung-jablonka/
https://k2wnetrza.pl/albertina/
KünstlerInnen in der Ausstellung: Miquel Barceló, Ross Bleckner, Francesco Clemente, Richard Deacon, Eric Fischl, Damien Hirst, Roni Horn, Mike Kelley, Sherrie Levine, Cady Noland, Thomas Schütte, Andreas Slominski, Philip Taaffe, Terry Winters